Pilates Technik erklärt
Was macht die Pilates Atmung so besonders?
30. Mai 2022, von Mag. Maria Felsner
Im Grunde ist die Atmung für die meisten Menschen ein selbstverständlicher Vorgang, so wie die Verdauung, der Schlaf oder die Bewegung. Ob wir unserer Atmung bewusst sind oder nicht, sie passiert ganz automatisch.
Aber es steckt sehr viel mehr hinter der Atmung. Die Atmung hat nämlich einen direkten Einfluss auf unseren Schlaf, auf die Verdauung, auf die Bewegungsqualität und noch vieles mehr.
Was genau passiert bei der Atmung?
Das Blut, welches unsere Organe und Zellen versorgt, wird über eine tiefe Atmung in der Lunge mit Sauerstoff angereichert. Die von der Lunge aufgenommenen Sauerstoffmoleküle wandern direkt in das Blut und heften sich dort an das Hämoglobin.
Das Hämoglobin (Hb) hat die Aufgabe, den Sauerstoff zu binden und in den Blutkreislauf zu transportieren. So gelangen die Sauerstoffmoleküle in die Zellen, wo sie die eigentliche Hauptaufgabe erfüllen: Sie verbinden sich in den Mitochondrien, welche unsere Zellkraftwerke sind, mit den Nährstoffen. Dieser Prozess versorgt unsere Zellen mit Energie.
Die optimale Versorgung mit Sauerstoff macht sich bemerkbar, dass…
- sich unsere Konzentrationsfähigkeit steigert,
- die Durchblutung gefördert wird,
- der Stoffwechsel angekurbelt wird,
- die Haut frischer aussieht,
- und nebenbei die Fettverbrennung anregt wird.
Welche Atmungsphase ist wichtiger?
EIN ODER AUS?
Beide Phasen, das Ein– und das Ausatmen sind wichtig, erfüllen aber unterschiedliche Aufgaben.
Während wir in der Einatmung den Organismus mit frischem Sauerstoff versorgen, lässt uns die vollständige Ausatmung, Kohlendioxid und andere Abfallprodukte aus den Muskeln und dem Zellstoffwechsel abgeben.
Je freier unsere Atmung ist, umso besser lassen sich die Abfallstoffe aus den Stoffwechselvorgängen ausscheiden.
Was ist die Grundlage für eine freie Atmung?
Die wichtigste Muskelsehnenplatte bei der Atmung ist das Zwerchfell, in der Fachsprache „Diaphragma“ genannt. Auf Deutsch bedeutet Diaphragma „Zwischenwand“, da es die Brust– und die Bauchhöhle voneinander trennt.
Damit wir eine freie Zwerchfellatmung ausüben können, bedarf es einer aufgerichteten, lockeren und auch offenen Körperhaltung sowie eines entspannten Zwerchfells.
Und genau das trainieren wir mit Pilates!
„Vor allem: LERNE RICHTIG zu ATMEN!“
JOSEPH PILATES
Hier kannst du unsere LIVE Pilates Stunde zum Thema nachsehen. In dieser LIVE Stunde vertiefen wir die Tipps zum Pilates Prinzip Atmung.
Warum ist eine aufrechte Haltung wichtig für die Atmung?
Ist unsere Haltung nicht aufrecht…
- geht die Beweglichkeit im Brustkorb verloren. Die Atmung wird dadurch flacher.
- Der Schultergürtel fällt durch die fehlende Mobilität des Brustkorbes nach vorne — es kommt zu mehr Spannung im Schulter–Nacken–Bereich.
- Ebenso verliert die Wirbelsäule an Kraft und Geschmeidigkeit, da sie nicht mehr in ihrer funktionellen Ausrichtung ist.
- Die Verdauung verschlechtert sich zunehmend, da die Organe über eine flache Atmung nicht angeregt werden.
Welchen Einfluss hat die Atmung auf das vegetative Nervensystem?
Wir wissen, dass sich die Atemtiefe wie auch die Atemfrequenz psychisch wie auch physisch auf den aktuellen Zustand unseres vegetativen Nervensystems auswirkt.
Das Vegetativum wiederum beeinflusst fasst alle Körperfunktionen wie zum Beispiel
die Immunabwehr, Blutdruck, Herzratenvariabilität, Stressverarbeitung, mentale Leistung etc.
Das macht auch unsere Arbeit in der Pilates Praxis wiederum interessant, da wir hier viele Möglichkeiten haben, über unterschiedliche Atemtechniken Einfluss auf unsere mentale Verfassung zu nehmen.
- Atemübungen mit längerer Ausatmung wirken emotional und muskulär entspannend und eignen sich am Ende der Stunde als effektive Entspannungstechnik.
- Eine bewusste Einatmung wirkt energetisierend, vitalisierend und hebt die Stimmung.
- Eine bewusste Ausatmung wirkt reinigend, befreiend, erdend.
- Ein bewusster tiefer Atem unterstützt die Selbstheilungskräfte und stärkt somit das Immunsystem.
- Ein gleichmäßiger, ruhiger Atem klärt den Geist und fördert die Konzentration.
Wie unterscheidet sich die Pilates Atmung von anderen Atemtechniken?
Vorweg sei gesagt, dass jede Atemtechnik ihre Berechtigung hat. Es gibt hier kein richtig oder falsch, besser oder schlechter. Wichtig ist zu wissen, was will ich mit meiner Technik erreichen?
Da zum Beispiel eine tiefe Bauchatmung die Körpermitte entspannt, verwenden wir diese Technik meist nur am Ende einer Trainingsstunde.
Bei der Pilates Atmung konzentrieren wir uns auf die seitliche Brustkorbatmung, oft auch 3–dimensionale Atmung genannt.
Was bringt mir diese Atmung?
Physiologisch gesehen nehmen wir wahr, wie sich durch die 3–dimensionale Atmung der Schultergürtel entspannt und gleichzeitig die Zentrierung leichter fällt.
Durch die Ausdehnung des Brustkorbes wird die Elastizität der Interkostalmuskulatur gefördert. Die Bewegung im Brustkorb wird harmonischer und flexibler, was wiederum eine muskuläre Entspannung unterstützt.
Durch die bewusste 3D–Einatmung werden wir bis zu den Lungenspitzen mit Sauerstoff versorgt. Durch die längere Ausatmung wird einer Ansäuerung des Organismus vorgebeugt.
Was ist bei der Pilates Atmung zu beachten
Es kann vorkommen, dass speziell Einsteiger durch die „Sauerstoffdusche“ ein Schwindelgefühl überfällt. Dies nimmt jedoch rasch ab. Die Betroffenen werden damit belohnt, dass sie sehr rasch wahrnehmen, dass sie im Alltag, Sport wie auch Beruf belastbarer sind.
Die Einatmung sollte immer über die Nase durchgeführt werden, während sich bei der Ausatmung die Stimmritze sanft verschließt. Man kann sich dies so vorstellen, dass die Stimmbänder eine Stellung einnehmen wie beim Flüstern.
Es kann auch die dosierte Lippenbremse eingesetzt werden, bei welcher man die Lippen locker aufeinanderlegt, sodass ein leises Strömungsgeräusch entsteht.
Weder beim sanften Verschluss der Stimmritze, noch bei der Lippenbremse, darf gepresst werden. Es wird immer darauf geachtet, dass man gleichmäßig ausatmet und die Dauer des Ausatmens bewusst leicht verlängert.
Im Idealfall passt sich die Bewegung der Atmung an. Dies ist jedoch Übungssache und wird zu Beginn des Pilates Trainings nicht forciert.
Vorteile dieser sanften Verschlüsse sind:
- Sie helfen, die innere Kraft zu mobilisieren.
- Die Konzentration nimmt zu.
- Die Aufmerksamkeit auf die Atmung fördert wiederum den Geist.
Auch wird bei der Atmung gegen den Widerstand die Aktivität des Zwerchfells gefordert, was wiederum die Atemkraft und das Atemvolumen vergrößert. Die stabilisierende Muskulatur der Körpermitte wird zunehmend leichter angesteuert.
Atmung als Prinzip
Fazit: Steigerung der Bewegungsqualität.
- Bewusstes Atmen entspannt und sorgt für die physiologische Ausrichtung des Halses und Nacken und Schulterbereichs sowie des Brustkorbes.
- Es kommt über die 3D–Atmung zum optimalen Kräfteverteilen im Brustkorbbereich, die Wirbelsäule kann dadurch natürlich mitschwingen.
- Die Ausatmung wird über den Transversus Abdominis unterstützt, welcher wiederum für eine stabile Mitte sorgt.
PS: Mit unserem Pilates Trainingskalender kannst du spielend einfach das regelmäßige Pilates Training in deinen Alltag integrieren und bleibst motiviert.